Neues Erbrecht: Vorausplanen ist jetzt noch wichtiger!
Die Kolumne von Albert Gallegos – erschienen in Bilan – März 2023
75 % der Schweizerinnen und Schweizer haben kein Testament verfasst. Mit Inkrafttreten des neuen Erbrechts am 1. Januar 2023 ist es zu einigen Änderungen gekommen. Sie sollen unter anderem für mehr Flexibilität bei der Verteilung des Vermögens sorgen, wobei die wichtigste Neuregelung die Erhöhung des verfügbaren Teils bzw. der frei verfügbaren Quote betrifft. Daher ist die Planung des Nachlasses heute wichtiger denn je. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Neuerungen.
Die gesetzlichen Erbteile bleiben unverändert. Nehmen wir Isabelle und Gerhard als Beispiel: Die beiden sind verheiratet und haben zwei Kinder. Sie haben nie irgendwelche Verfügungen getroffen. Plötzlich verstirbt Gerhard völlig unerwartet. Isabelle erbt somit 50 % des Vermögens und die restlichen 50 % gehen an die beiden Kinder. Mit Inkrafttreten des neuen Erbrechts wurden die Pflichtteile bei Vorliegen eines Testaments oder Erbvertrags hingegen reduziert. In diesem Fall verringert sich der Pflichtteil der Kinder von zuvor 37,5 % auf neu 25 %. Ausserdem hat der überlebende Ehepartner keinen Anspruch mehr auf den Pflichtteil1, wenn der andere Ehepartner während eines laufenden Scheidungsverfahrens stirbt oder die beiden zum Zeitpunkt des Todes bereits seit mindestens zwei Jahren getrennt lebten.
Es sollte vielleicht betont werden, dass einige Bestimmungen zum Erbrecht im Schweizer Zivilgesetzbuch noch von 1907 stammen. Sie entsprechen daher nicht mehr den heutigen Familienstrukturen und Partnerschaftsformen, sondern dem vor einem Jahrhundert vorherrschenden Familienmodell! Heute sind Patchworkfamilien gang und gäbe und auch das Konkubinat ist weit verbreitet, ganz zu schweigen von der höheren Lebenserwartung. Für Konkubinatspartner ändert sich unter dem neuen Erbrecht allerdings nichts. Sie haben nach wie vor keinen gesetzlichen Erb- oder Rentenanspruch, wenn weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorliegt. Für sie ist es daher umso wichtiger, den Nachlass innerhalb des Paares zu regeln, etwa durch Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten, die sich im Rahmen des BVG (2. Säule) oder der 3. Säule bieten, oder durch den Abschluss einer Lebensversicherung. Sie sollten sich unbedingt auch über die geltende Erbschaftssteuer informieren, die von Kanton zu Kanton variiert. So besteuern mehrere Kantone Konkubinatspartner wie Nichtverwandte. Im Kanton Waadt etwa beträgt der Steuersatz 50 %, in Genf gar 54,6 % (ab einem Vermögen von CHF 100 000.–).
Auf jeden Fall sollten die Angehörigen in die Nachlassplanung miteinbezogen werden. So können sie in einer schweren Zeit einfacher die richtigen Entscheidungen treffen. Die Revision des Erbrechts ist ein guter Zeitpunkt, sich Gedanken über seinen Nachlass zu machen und sich dabei von Fachleuten beraten zu lassen. Wenn man bedenkt, dass sich die Summe aller Erbschaften jedes Jahr auf rund CHF 90 Milliarden beläuft (das BIP Luxemburgs!), lohnt es sich wohl, diesem Thema etwas Zeit zu widmen!
1 Wenn der Ehepartner von der Erbschaft ausgeschlossen werden soll, muss dies in einem Testament festgelegt werden. Andernfalls bleibt der Ehepartner gesetzlicher Erbe.